Das Leben ist unvorhersehbar. Ein unerwarteter Verlust, eine schwere Krankheit, das Ende einer Beziehung, eine berufliche Krise – es gibt Momente, in denen uns der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Manchmal sind es große Umbrüche, die uns erschüttern, manchmal ist es die Summe vieler kleiner Belastungen, die uns allmählich zermürbt.
Doch nicht jeder zerbricht unter dem Gewicht dieser Herausforderungen. Manche Menschen scheinen selbst in tiefen Krisen einen inneren Halt zu bewahren. Sie werden von Rückschlägen getroffen, aber nicht vernichtet. Sie fallen, doch sie stehen wieder auf. Und wenn sie aufstehen, sind sie nicht einfach nur „wieder da“ – sie sind gewachsen, tiefer verwurzelt, vielleicht sogar klarer als zuvor.
Was unterscheidet diese Menschen von jenen, die an Schwierigkeiten zerbrechen? Ist emotionale Resilienz eine Gabe, mit der man geboren wird – oder eine Fähigkeit, die man bewusst entwickeln kann?
Die westliche Psychologie hat sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. Sie zeigt, dass Resilienz aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren entsteht: unserem biologischen Stresssystem, unseren frühen Bindungserfahrungen, unseren Denkweisen und der Qualität unserer sozialen Beziehungen. Sie ist keine festgelegte Eigenschaft, sondern eine dynamische Fähigkeit, die sich verändern und wachsen kann.
Die kontemplative Psychologie geht noch einen Schritt weiter. Während die westliche Psychologie sich darauf konzentriert, wie wir Belastungen bewältigen, fragt die kontemplative Psychologie: Was, wenn unser Leiden nicht nur durch äußere Umstände entsteht, sondern durch unsere innere Haltung ihnen gegenüber?
Eine der tiefsten Erkenntnisse dieser Tradition ist, dass wir oft nicht am Schmerz selbst leiden, sondern an unserem Widerstand dagegen. In der buddhistischen Psychologie sprechen wir vom „ersten und zweiten Pfeil“. Der erste Pfeil ist das unvermeidbare Leid des Lebens – Enttäuschung, Verlust, Schmerz. Der zweite Pfeil ist das Leiden, das wir uns selbst zufügen, indem wir hadern, uns auflehnen, uns in Gedanken verstricken. Resilienz bedeutet nicht nur, schwierige Zeiten zu überstehen, sondern zu erkennen, dass unser tiefster Halt nicht von äußeren Umständen abhängt.
In diesem Artikel beleuchte ich das Thema Resilienz aus beiden Perspektiven: der westlichen wie der kontemplativen Psychologie. Ich werde aufzeigen, wie unser Nervensystem auf Stress reagiert, wie Bindungserfahrungen unsere innere Widerstandskraft formen, wie unsere Gedanken unser Erleben beeinflussen. Und wie die Praxis von Akzeptanz, Mitgefühl und innerer Weite dazu beitragen kann, dass wir nicht nur überleben, sondern wachsen.
Denn Resilienz bedeutet eine innere Stabilität zu entwickeln, die uns auch dann trägt, wenn das Leben unberechenbar ist.
Die Inhalte dieses Blogartikels:
ToggleWas genau ist emotionale Resilienz?
Resilienz kommt vom lateinischen resilire, was so viel bedeutet wie „zurückspringen“ oder „abprallen“. Im psychologischen Kontext beschreibt es die Fähigkeit, sich nach schwierigen oder belastenden Erfahrungen wieder zu erholen – und im besten Fall daran zu wachsen.
Resilienz ist mehr als Durchhaltevermögen. Sie ist nicht bloß die Fähigkeit, Krisen zu überstehen, sondern eine tiefere innere Qualität, die es uns erlaubt, inmitten von Unsicherheit und Veränderung unseren Halt zu bewahren. Sie ist die Kunst, nicht nur auf Herausforderungen zu reagieren, sondern uns aktiv mit ihnen auseinanderzusetzen – mit Offenheit, Flexibilität und einer Haltung, die nicht von Angst, sondern von Wachstumsbereitschaft geprägt ist.
Viele Menschen setzen Resilienz mit psychischer Stärke gleich. Doch Stärke im herkömmlichen Sinne bedeutet oft Widerstand, ein Sich-gegen-etwas-Stemmen. Resilienz hingegen ist nicht starr, sondern beweglich. Sie ist eher wie ein Bambus, der sich im Sturm biegt, ohne zu brechen.
Aber woher kommt diese innere Widerstandskraft? Warum zerbrechen manche Menschen unter Belastung, während andere gerade in Krisenzeiten ihre innere Tiefe und Klarheit entdecken?
Die Psychologie zeigt, dass Resilienz nicht eine einzelne Fähigkeit ist, sondern das Ergebnis eines feinen Zusammenspiels verschiedener Ebenen: unseres Nervensystems, unserer frühen Erfahrungen, unserer Gedankenwelt und unserer Beziehungen zu anderen. Und die kontemplative Psychologie ergänzt: Es ist auch die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, wie wir Schmerz verstehen und welche Rolle wir uns selbst inmitten all dessen zuschreiben.
Was emotionale Resilienz nicht ist: Drei große Missverständnisse
Bevor wir tiefer in die psychologischen Mechanismen eintauchen, lohnt es sich, einige verbreitete Mythen über Resilienz zu entlarven. Denn oft wird sie missverstanden – als Härte, als grenzenloser Optimismus oder als Fähigkeit, alles allein bewältigen zu müssen.
1. Resiliente Menschen bleiben immer ruhig und positiv.
Viele glauben, dass resiliente Menschen sich nie von Problemen oder Emotionen aus der Bahn werfen lassen. Das Gegenteil ist der Fall: Resiliente Menschen erleben genauso Angst, Trauer, Wut oder Verzweiflung wie alle anderen. Der Unterschied ist, dass sie einen bewussten Umgang mit ihren Emotionen finden und sich nicht von ihnen überwältigen lassen.
2. Resilienz ist angeboren.
Ja, es gibt genetische Faktoren, die eine Rolle spielen. Doch die Forschung zeigt, dass Resilienz maßgeblich durch Erfahrungen, Erziehung und bewusste Übung geprägt wird. Auch Erwachsene können ihre Resilienz gezielt stärken, indem sie an ihrer Stressregulation, ihren Denkmustern und ihrer Selbstwahrnehmung arbeiten.
3. Resiliente Menschen brauchen keine Unterstützung.
Resilienz ist keine einsame Stärke, sondern baut auf sozialen Verbindungen auf. Menschen, die über enge, vertrauensvolle Beziehungen verfügen, können besser mit Krisen umgehen. Eines der größten Missverständnisse über Resilienz ist, dass sie bedeutet, alles allein schaffen zu müssen. Das Gegenteil ist der Fall: Resiliente Menschen wissen, wann sie Unterstützung brauchen – und nehmen sie an.
Die Psychologie hinter emotionaler Resilienz
Emotionale Resilienz ist mehr als nur eine psychologische Strategie oder eine angeborene Fähigkeit. Sie ist ein dynamischer Prozess, der auf verschiedenen Ebenen wirkt – von der Regulation unseres Nervensystems über frühkindliche Bindungsmuster und kognitive Mechanismen bis hin zu tief verwurzelten spirituellen und existenziellen Einsichten.
Die Fähigkeit, nach belastenden Erfahrungen nicht nur wieder aufzustehen, sondern innerlich daran zu wachsen, setzt voraus, dass wir unser Verhältnis zu Schmerz, Unsicherheit und Wandel hinterfragen. Während die westliche Psychologie sich darauf konzentriert, Stressmechanismen zu verstehen und funktionale Denkweisen zu fördern, betonen die kontemplative Psychologie, dass unser Leiden nicht nur durch äußere Ereignisse, sondern vor allem durch unsere Identifikation mit diesen entsteht.
Resilienz ist daher nicht nur die Fähigkeit, mit Krisen umzugehen, sondern eine tiefere innere Transformation – ein Verlernen destruktiver Muster und ein Kultivieren neuer Perspektiven, die uns erlauben, Stabilität inmitten von Veränderung zu finden.
Resilienz beginnt im Körper: Das Nervensystem als Schlüssel zur Stressbewältigung
Unser autonomes Nervensystem ist die erste Instanz, die entscheidet, wie wir mit Stress umgehen. Lange bevor unser rationaler Verstand die Situation erfasst, hat unser Körper bereits darauf reagiert. Die Amygdala – das emotionale Alarmsystem in unserem Gehirn – sendet Signale, die unser gesamtes System auf eine Bedrohung vorbereiten.
In der Polyvagaltheorie beschreibt Stephen Porges drei grundlegende Zustände, die bestimmen, wie wir auf Stress reagieren:
- Der ventral-vagale Zustand (soziale Verbundenheit und Sicherheit): In diesem Zustand erleben wir innere Ruhe, Klarheit und die Fähigkeit, mit Herausforderungen gelassen umzugehen. Das Gehirn kann flexibel denken, Emotionen sind reguliert, und wir haben Zugang zu Empathie und kreativen Problemlösungen.
- Der sympathische Zustand (Kampf- oder Fluchtmodus): Hier dominieren Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin. Das Nervensystem ist aktiviert, das Denken wird enger, wir reagieren impulsiv. Dieser Zustand ist kurzfristig hilfreich, aber langfristig erschöpfend.
- Der dorsal-vagale Zustand (Erstarren und Rückzug): Wenn die Belastung zu groß wird und das System überfordert ist, schaltet der Körper auf Schutzmodus um. Gefühle der Taubheit, Ohnmacht und inneren Distanz entstehen.
Resiliente Menschen haben die Fähigkeit, sich nach einer Stressreaktion wieder in den ventral-vagalen Zustand zu bringen. Sie bleiben nicht dauerhaft im Überlebensmodus stecken, sondern finden aktiv Wege, um ihr Nervensystem zu beruhigen.
Die buddhistische Perspektive: Geist und Körper als Einheit
Die kontemplative Psychologie lehrt, dass das, was wir als „Ich“ erleben – unsere Gedanken, Emotionen und Reaktionen –, eng mit unserem physischen Zustand verbunden ist. Ein Geist, der von Angst und Sorgen beherrscht wird, erzeugt Anspannung im Körper. Ein ruhiger, stabiler Geist hingegen bringt den Körper in einen Zustand von Weite und Entspannung.
In der buddhistischen Psychologie wird dieser Prozess oft mit der Metapher eines aufgewühlten Ozeans beschrieben. Unsere Gedanken und Emotionen sind die Wellen an der Oberfläche – sie kommen und gehen, manchmal sanft, manchmal stürmisch. Wer sich aber auf die Wellen konzentriert, wird von ihnen mitgerissen. Resilienz entsteht, wenn wir lernen, auf den Grund des Ozeans zu tauchen – dort, wo absolute Ruhe herrscht.
Kontemplative Techniken wie bewusste Atemführung, Achtsamkeitsmeditation oder achtsame Körperarbeit helfen, diese innere Stabilität aufzubauen. Moderne Neurowissenschaften bestätigen, dass solche Praktiken tatsächlich das autonome Nervensystem regulieren und langfristig die Fähigkeit zur Selbstberuhigung stärken.
Die Rolle von Bindungserfahrungen: Wie emotionale Resilienz in der Kindheit entsteht
Bindung als Fundament für emotionale Widerstandskraft
Die Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth zeigt, dass unsere frühkindlichen Erfahrungen mit Bezugspersonen entscheidend prägen, wie wir später mit Stress umgehen. Sicher gebundene Kinder entwickeln ein inneres Modell von Sicherheit: Sie haben gelernt, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden und dass Trost verfügbar ist, wenn sie ihn brauchen. Diese innere Sicherheit bildet das Fundament für eine gesunde emotionale Regulation.
Menschen mit unsicheren Bindungsmustern hingegen zeigen oft eine verstärkte Stressreaktion. Wer gelernt hat, dass Nähe unsicher ist, kann dazu neigen, emotionale Herausforderungen zu vermeiden oder sich in Abhängigkeit zu begeben. Die gute Nachricht: Auch im Erwachsenenalter können wir Resilienz durch bewusste Beziehungsarbeit in psychologisch sicheren Settings und Selbsterforschung nachreifen lassen.
Die buddhistische Perspektive: Die Illusion von Anhaftung und die Kraft der Verbundenheit
Während die westliche Psychologie betont, dass sichere Bindungen essenziell für emotionale Resilienz sind, geht die kontemplative Psychologie noch einen Schritt weiter: Sie hinterfragt unsere Tendenz zur Anhaftung.
Die kontemplative Psychologie lehrt, dass viel unseres Leidens daraus entsteht, dass wir uns an Menschen, Rollen oder Erwartungen klammern und fürchten, sie zu verlieren. Emotionale Resilienz entsteht, wenn wir Bindung nicht mit Abhängigkeit verwechseln.
Ein Mensch mit innerer Resilienz kann tiefe Verbindungen eingehen, ohne von ihnen existenziell abhängig zu sein. Er erkennt, dass alle Beziehungen sich verändern und dass wahre Sicherheit nicht im Außen, sondern in einer stabilen Beziehung zu sich selbst liegt.
Denken und Fühlen: Die kognitive Basis der Resilienz
Der Einfluss kognitiver Muster
Die Art, wie wir denken, hat unmittelbare Auswirkungen auf unsere Widerstandskraft. Menschen mit einem Growth Mindset – also der Überzeugung, dass sie sich weiterentwickeln können – sind nachweislich resilienter als Menschen mit einem statischen Selbstbild.
Unsere Widerstandskraft hängt also nicht nur davon ab, was wir erleben, sondern auch davon, wie wir das Erlebte interpretieren. Zwei Menschen können dieselbe Krise durchmachen – für den einen ist es ein Zusammenbruch, für den anderen ein Wendepunkt.
In der kognitiven Psychologie spricht man von kognitiver Umstrukturierung. Damit wird die Fähigkeit verstanden, unsere Denkmuster bewusst zu hinterfragen und zu verändern. Resiliente Menschen interpretieren schwierige Situationen anders als weniger resiliente. Sie sehen Krisen nicht als Zeichen ihres eigenen Versagens, sondern als Herausforderungen, die gemeistert werden können. Sie erleben Probleme nicht als starre, unüberwindbare Hindernisse, sondern als Möglichkeiten, neue Wege zu entdecken.
Ein zentraler Aspekt ist dabei die Selbstwirksamkeitserwartung – das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Einfluss auf eine Situation zu nehmen. Wer glaubt, dass er nichts ändern kann, gibt schnell auf. Wer hingegen gelernt hat, dass es immer eine Möglichkeit gibt, etwas zu tun – sei es durch eine neue Perspektive, durch Hilfe von anderen oder durch ein bewussteres Umgehen mit der Situation –, entwickelt eine innere Stärke, die nicht so leicht ins Wanken gerät.
Doch nicht nur unser bewusster Verstand beeinflusst unsere Resilienz. Oft sind es tief verankerte Überzeugungen, die darüber entscheiden, wie wir mit Krisen umgehen. Wer in sich den unbewussten Glaubenssatz trägt „Ich bin allein, niemand wird mir helfen“, wird Schwierigkeiten haben, in schweren Zeiten Unterstützung zu suchen. Wer jedoch gelernt hat „Ich darf um Hilfe bitten, und ich kann Lösungen finden“, wird sich selbst auch in schwierigen Situationen als handlungsfähig erleben.
Die buddhistische Perspektive: Der zweite Pfeil des Leidens
Während die westliche Psychologie Resilienz oft als eine Fähigkeit beschreibt, mit Schwierigkeiten umzugehen, betrachtet die kontemplative Psychologie sie als eine tiefere Form von innerer Freiheit. Was, wenn Resilienz nicht nur bedeutet, mit Schmerz zurechtzukommen, sondern unser Verhältnis zu Schmerz grundlegend zu verändern?
Der Buddhismus unterscheidet zwischen Schmerz und Leiden. Ein bekanntes Konzept aus der buddhistischen Lehre ist die Vorstellung vom ersten und vom zweiten Pfeil: Der erste Pfeil steht für den unvermeidlichen Schmerz des Lebens – Krankheit, Verlust, Enttäuschung. Der zweite Pfeil hingegen ist unser Widerstand dagegen – unser Ärger, unser Hadern, unser Grübeln.
Während der erste Pfeil uns unvermeidlich trifft, weil er genuin zum Menschsein gehört, schießen wir den zweiten Pfeil selbst auf uns ab. Resilienz bedeutet, zu erkennen, dass wir nicht immer kontrollieren können, was geschieht, wohl aber unsere innere Haltung dazu.
Diese Erkenntnis öffnet einen neuen Weg zur inneren Stabilität: Nicht das Leben muss sich ändern, sondern unser Verhältnis zum Leben.
In der kontemplativen Psychologie üben wir uns in diesem Zusammenhang auch in der Praxis der radikalen Akzeptanz. Das bedeutet nicht, dass wir Krisen gutheißen oder passiv über uns ergehen lassen. Doch wir lernen, uns nicht gegen das zu wehren, was ohnehin bereits da ist. Statt zu sagen „Das dürfte nicht passieren!“, sagen wir „Das ist jetzt geschehen. Wie gehe ich damit um?“
Resilienz in diesem Sinne ist nicht nur Widerstandskraft – sie ist Loslassen. Das Loslassen der Annahme, dass das Leben anders sein müsste, als es ist. Das Loslassen des Gedanken, dass wir Kontrolle über alles haben. Und paradoxerweise führt genau dieses Loslassen zu einer tiefen inneren Stabilität.
Die Praxis von Achtsamkeit und Meditation zeigt genau diesen Weg. Wer regelmäßig meditiert, lernt, Gedanken und Emotionen zu beobachten, ohne sich von ihnen mitreißen zu lassen. Wir erkennen in der Meditation: Ich bin nicht meine Angst. Ich bin nicht meine Krise. Ich bin der Raum, in dem all das geschieht.
Diese Erkenntnis verändert die Art und Weise, wie wir auf das Leben blicken. Sie lässt uns erkennen, dass Resilienz nicht bedeutet, immer stark zu sein, sondern offen. Sie bedeutet nicht, nie zu leiden, sondern dem Leiden mit einer anderen Bewusstheit zu begegnen.
Fazit: Emotionale Resilienz als innere Transformation
Resilienz ist kein Zustand, den man erreicht und dann für immer besitzt. Sie ist ein Prozess, eine Praxis, eine innere Bewegung, die mit jedem Moment neu entsteht. Sie zeigt sich nicht darin, dass wir nie ins Wanken geraten, sondern darin, dass wir uns selbst in der Bewegung halten – mit der Fähigkeit, uns immer wieder neu auszurichten.
Vielleicht ist Resilienz deshalb weniger eine Frage der Stärke als der Beweglichkeit. Sie ist nicht die unerschütterliche Mauer, die jedem Sturm trotzt, sondern das tiefe Wurzelwerk, das sich mit dem Wind bewegt, ohne seinen Halt zu verlieren. Sie ist nicht Kontrolle, sondern die Fähigkeit, mit dem Leben zu fließen.
In der westlichen Psychologie wird Resilienz oft als eine Fähigkeit beschrieben, Krisen zu bewältigen, indem wir unser Denken verändern, unser Nervensystem regulieren und tragfähige Beziehungen aufbauen. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind wertvoll – sie zeigen uns, dass Resilienz formbar ist, dass wir sie aktiv kultivieren können, unabhängig davon, welche Erfahrungen wir in der Vergangenheit gemacht haben.
Die kontemplative Psychologie fügt noch eine tiefere Dimension hinzu: Sie lehrt uns, dass Resilienz nicht nur bedeutet, Belastungen auszuhalten, sondern unser Verhältnis zu ihnen zu verändern. Dass es nicht darum geht, unangreifbar zu werden, sondern zu erkennen, dass wir nie vollständig getrennt sind – nicht vom Leben, nicht von anderen, nicht von uns selbst.
Vielleicht liegt die wahre Essenz der Resilienz genau hier: In der Fähigkeit, das Leben mit all seinen Ungewissheiten und Herausforderungen zu umarmen, ohne uns in Angst oder Widerstand zu verlieren.
Resilienz bedeutet nicht, dass wir nie Angst haben. Sie bedeutet, dass wir der Angst Raum geben, ohne dass sie unser Denken beherrscht.
Resilienz bedeutet nicht, dass wir nie scheitern. Sie bedeutet, dass wir uns nicht mit unserem Scheitern verwechseln.
Resilienz bedeutet nicht, dass wir unverwundbar sind. Sie bedeutet, dass wir unsere Verletzlichkeit als eine Quelle von Tiefe und Wachstum begreifen.
Vielleicht ist die wichtigste Frage also nicht: „Wie mache ich mich emotional stärker?“
Sondern: „Wie kann ich mich selbst so halten, dass ich inmitten des Wandels Halt finde?“
Dein nächster Schritt: Die Reflexion der eigenen emotionalen Resilienz
Vielleicht magst du dir jetzt einen Moment nehmen und darüber nachdenken:
- Welche Erfahrungen in deinem Leben haben dich wachsen lassen, auch wenn sie zunächst schwierig waren?
- Gibt es Momente, in denen du gespürt hast, dass du stärker oder klarer aus einer Krise hervorgegangen bist?
- Welche Gedanken hast du über Resilienz – und gibt es etwas, das du heute mit neuen Augen sehen kannst?
Denn Resilienz beginnt genau hier: In dem Moment, in dem du innehältst und erkennst, dass du in dir selbst etwas findest, das nicht zerbricht.
Resilienz ist nichts, was du allein entwickeln musst.
Wir wachsen in Verbindung – mit uns selbst, mit anderen, mit dem Leben. Manchmal braucht es jedoch einen sicheren Raum, um sich dieser inneren Entwicklung wirklich zu widmen.
Wenn du das Gefühl hast, dass du dich mit deiner Resilienz intensiver auseinandersetzen möchtest – sei es, weil du spürst, dass dich alte Muster festhalten, weil du dich nach mehr Klarheit sehnst oder weil du wissen möchtest, wie du in Zeiten von Krisen und Wandel deinen eigenen Weg finden kannst – dann begleite ich dich gerne dabei!
In meinem 1:1-Coaching „Gestalte dein Jetzt!“ geht es genau darum: Deinen eigenen Zugang zu Resilienz zu finden und das Leben bewusst nach deinen eigenen Werten zu gestalten.
Wenn dich das anspricht, schau gerne hier vorbei: Gestalte dein Jetzt! BewusstSein für den Moment
Ich bin gespannt auf deine Gedanken: Was bedeutet Resilienz für dich? Hast du eine Erfahrung gemacht, die dich innerlich wachsen ließ?
Lass es mich in den Kommentaren wissen – ich freue mich auf deine Gedanken und Erfahrungen!
4 Antworten zu „Was ist emotionale Resilienz? Zwischen Psychologie und Achtsamkeit“
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Liebe Pia,
das ist ein wundervoller Artikel, der aus meiner Sicht sehr gut erklärt, was wesentlich für eine spirituelle Entwicklung ist. Ich fand es spannend über die Unterschiede der westlichen und kontemplativen Resilienz zu lesen und wusste nicht, dass der Buddhismus dieses Konzept benutzt.
Ein ganz toller Ansatz, der beschreibt, was wesentlich ist: sich von der Identifikation des Egos zu lösen und das, was ist anzunehmen.
Ich glaube, dass wir Menschen lernen werden, alle Gefühle zu fühlen ohne uns von ihnen abzutrennen, noch in ihnen zu schwelgen, sodass wir, wie du so schön geschrieben hast, uns als den Raum wahrnehmen können, in dem die Erfahrungen passieren.Hab eine wundervolle Woche.
Wir sind Liebe,
💗 Sabine
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Liebe Sabine,
deine Worte berühren mich sehr – danke für deine wertschätzende Rückmeldung und deine tiefen Einsichten! Es freut mich besonders, dass dich die Verbindung zwischen westlichen und kontemplativen Gedanken zum Thema emotionale Resilienz inspiriert hat. Dein Gedanke, dass wir alle lernen können, Gefühle vollständig zu erleben, ohne uns von ihnen abzutrennen oder in ihnen zu verlieren, ist wunderschön und trifft den Kern dessen, worum es geht.
Danke, dass du diese Gedanken hier teilst – sie bereichern den Raum. Ich wünsche dir eine wundervolle Woche voller Tiefe und Verbundenheit.
Von Herzen
Pia 💗
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Liebe Pia,
was für ein grandioser Artikel. So breit gefächert und Du führst mich durch so viele Aspekte. Wirklich sehr groß. Ich bin berührt und begeistert. Ich halte mich für relativ resilient und verstehe jetzt besser, warum ich das in echt habe. So viele Erfahrungen, die ich gemacht habe, die ich reflektieren konnte und lernen musste und durfte, damit umzugehen. Sonst wäre ich zerbrochen. Ja, ich bin bei Dir. Es ist nicht Stärke, sondern die Fähigkeit flexibel zu bleiben und sich mit dem Wind und dem Sturm zu bewegen. Ich mache mir so manches Mal die Angst zum Freund und lasse sie an meiner Seite spazieren. Herzlichen Dank Viele Grüße Martina-
Liebe Martina,
deine Worte haben mich tief berührt – ich danke dir von Herzen für deine Rückmeldung. Es bedeutet mir unglaublich viel zu wissen, dass der Artikel dich erreicht hat und dich in deinem eigenen Erleben von Resilienz bestärkt.
Ich spüre in deinen Zeilen so viel gelebte Erfahrung, so viel Tiefe und Weisheit. Ja, genau das ist es – nicht unerschütterliche Stärke, sondern diese wunderbare Fähigkeit, sich mit dem Wind zu bewegen, ohne dabei den eigenen Halt zu verlieren. Dein Bild, die Angst zum Freund zu machen und mit ihr spazieren zu gehen, finde ich wunderschön und kraftvoll. Es zeigt so viel Akzeptanz und Mut – beides wesentliche Aspekte von Resilienz.
Ich freue mich so sehr, dass du dich in diesen Gedanken wiederfinden kannst. Danke, dass du deine Erkenntnisse teilst und mir damit zeigst, wie lebendig und spürbar dieses Thema ist.
Von Herzen
Pia
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