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Pia Hübinger

Praxis für kontemplative Psychologie

Köln - Bonn - Siegburg

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Loslassen verstehen: Buddhistische Weisheit für deinen Alltag

Das Wort „Loslassen“ begegnet uns heutzutage überall, sei es in Ratgebern oder in Gesprächen mit Freund*innen. Immer wieder hören wir, dass es wichtig sei, loszulassen, um inneren Frieden zu finden. Doch was bedeutet loslassen wirklich? Und wie unterscheidet sich dieses Loslassen von Verdrängung oder Gleichgültigkeit?

Im Alltag verstehen viele Menschen unter Loslassen das bewusste Abstreifen von Problemen oder Belastungen. Es klingt, als würden wir etwas von uns abschütteln, das uns nicht mehr dienlich ist. Diese Interpretation kann jedoch leicht zu einem Missverständnis führen: dem Glauben, dass Loslassen bedeutet, sich emotional abzuschotten oder sich einfach von unangenehmen Gefühlen zu distanzieren. Doch im Kern geht es beim Loslassen – zumindest aus buddhistischer Sicht – um etwas viel Tieferes und Sanfteres.

Was bedeutet Loslassen im buddhistischen Kontext?

Der englische Begriff „Letting Go“ fasst dieses tiefere Verständnis besser zusammen. Es ist kein aktives Wegstoßen, sondern vielmehr ein offenes Akzeptieren. Es geht nicht darum, Dinge von uns abzuwerfen oder zu verdrängen, sondern darum, den natürlichen Fluss der Dinge durch uns hindurchgehen zu lassen, ohne uns daran zu klammern. Letting Go bedeutet, die Dinge zuzulassen und ihnen gleichzeitig die Freiheit zu geben, zu gehen, wenn es an der Zeit ist. Es ist die Kunst, inmitten von Veränderungen, Herausforderungen und Emotionen in einem Zustand der inneren Offenheit und Gelassenheit zu bleiben.

Dieser Unterschied ist von entscheidender Bedeutung. Denn während das Loslassen oft ein Gefühl der Distanz oder sogar der Vermeidung erzeugen kann, führt Letting Go zu einer tiefen inneren Freiheit. Es ist das Gegenteil von Vermeidung. Es ist die völlige Akzeptanz des Lebens, so wie es ist, ohne den Versuch, es zu kontrollieren oder festzuhalten. In diesem Sinne ist Letting Go kein einmaliger Akt, sondern eine lebenslange Praxis. Es geht um die bewusste Entscheidung, sich von den Dingen zu lösen, an denen wir aus Gewohnheit oder Angst festhalten. Seien es materielle Güter, Beziehungen, Konzepte oder sogar unsere eigene Identität (bzw. unsere festgezurrte Vorstellung davon). Loslassen bedeutet, den natürlichen Fluss des Lebens zu akzeptieren und darauf zu vertrauen, dass alles, was kommt und geht, Teil dieses Flusses ist.

Das Loslassen im Buddhismus ist eng mit der Lehre von Anicca, der Vergänglichkeit, verbunden. Alles, was existiert, unterliegt dem Wandel. Anhaftung, also das Festhalten an etwas Vergänglichem, ist daher eine Quelle des Leidens. Wenn wir loslassen, erkennen wir diese Vergänglichkeit an und befreien uns von der Illusion, dass wir etwas dauerhaft festhalten können – sei es Besitz, Emotionen oder gar die Menschen, die uns am nächsten stehen.

Wenn ich in den folgenden Ausführungen also von Loslassen spreche, meine ich genau dieses Konzept des Letting Go – ein Loslassen, das uns durch Akzeptanz zur inneren Freiheit führt.

Der subtile Unterschied: Loslassen versus Gleichgültigkeit

Es ist ein häufiges Missverständnis, das buddhistische Loslassen mit Gleichgültigkeit zu verwechseln. Doch der Unterschied ist grundlegend. „Ist mir egal“ ist eine Abwehrhaltung, ein Rückzug vor den Herausforderungen des Lebens. Es ist, als würden wir uns emotional abschotten, um uns vor Schmerz oder Enttäuschung zu schützen. Diese Haltung führt oft zu innerer Leere und einem Gefühl der Trennung von uns selbst und unserer Umwelt.

Loslassen hingegen ist ein Akt des tiefen Vertrauens und der Akzeptanz. Es bedeutet nicht, dass wir uns von unseren Gefühlen, Wünschen oder Beziehungen distanzieren, sondern dass wir uns von der Vorstellung lösen, sie kontrollieren zu müssen. Es ist die Erkenntnis, dass wir das Leben nicht in unserer Hand haben, sondern dass das Leben selbst durch uns hindurchfließt.

Stell dir vor, du hältst Sand in deiner Hand. Wenn du ihn fest umschließt, wird der Sand durch deine Finger rinnen. Wenn du aber deine Hand öffnest, bleibt der Sand in deiner Handfläche liegen. So ist es auch mit dem Loslassen: Je mehr wir festhalten, desto mehr verlieren wir. Wenn wir jedoch loslassen, können wir das Leben in seiner ganzen Fülle erfahren, ohne es zu vereinnahmen.

Die Wurzeln des Leidens

Im Zentrum der buddhistischen Lehre steht die Erkenntnis, dass Verlangen und Anhaftung die Hauptursachen des Leidens sind. Dieses Verlangen entspringt der grundlegenden menschlichen Tendenz, etwas Festes und Beständiges in einer Welt zu suchen, die von Natur aus unbeständig ist. Wir klammern uns an Menschen, Dinge und Ideen, weil wir hoffen, darin Sicherheit und Glück zu finden. Doch diese Anhaftung ist eine Illusion, die letztlich nur Leid hervorruft.

Buddha lehrte, dass das Selbst – die Vorstellung eines dauerhaften, unveränderlichen „Ich“ – ebenfalls eine Illusion ist. Dieses illusorische Selbst führt uns dazu, unser Leben in ständiger Verteidigung und Verwirklichung dieses Ichs zu verbringen, was uns in endlose Zyklen von Verlangen und Enttäuschung verstrickt. Loslassen bedeutet, diese Illusion zu durchschauen und sich von der Vorstellung zu befreien, dass unser Glück von äußeren Umständen oder einem festen Selbstbild abhängt.

Die Praxis des Loslassens: Ein Weg durch Achtsamkeit und Meditation

Die Praxis des Loslassens beginnt mit der Entwicklung von Achtsamkeit. Einer wachen, nicht urteilenden Aufmerksamkeit gegenüber dem, was in uns und um uns herum geschieht. Durch Achtsamkeit lernen wir, unsere Anhaftungen zu erkennen und zu beobachten, wie sie uns beeinflussen. Oft sind wir uns nicht bewusst, wie tief verwurzelt unsere Anhaftungen sind, bis wir beginnen, sie mit Achtsamkeit zu betrachten.

Meditation ist ein weiteres zentrales Werkzeug in der Praxis des Loslassens. In der Meditation üben wir, Gedanken, Gefühle und Empfindungen wahrzunehmen, ohne an ihnen festzuhalten. Wir lassen sie kommen und gehen, wie Wolken, die am Himmel vorbeiziehen. Durch diese Praxis entwickeln wir eine größere Gelassenheit und die Fähigkeit, uns von den ständigen Fluktuationen unseres Geistes nicht mitreißen zu lassen.

Das Bild zeigt einen Himmel, an dem Wolken unterschiedlichster Form und Größe vorüberziehen.
Gedanken kommen und gehen lassen, so wie Wolken am Himmel vorüberziehen

Ein tiefes Loslassen erfordert auch das Loslassen des eigenen Egos – der ständigen Selbstbezogenheit und des Drangs, das Leben nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das bedeutet nicht, dass wir passiv werden oder unsere Ziele aufgeben, sondern dass wir aufhören, unsere Identität und unser Glück von diesen Zielen abhängig zu machen. Wir handeln weiterhin, aber mit einer inneren Freiheit, die nicht an den Ergebnissen haftet.

Die tiefere Dimension des Vertrauens: Hingabe an den Fluss des Lebens

Loslassen im buddhistischen Sinne bedeutet auch, sich dem Fluss des Lebens hinzugeben. Dieses Vertrauen ist keine blinde Akzeptanz, sondern ein tiefes Verständnis dafür, dass das Leben selbst eine Weisheit besitzt, die über unser begrenztes Bewusstsein hinausgeht. Wir müssen lernen, diesen natürlichen Fluss zu erkennen und uns ihm hinzugeben, ohne ständig gegen den Strom anzukämpfen.

Dieses Vertrauen ist eng mit der buddhistischen Praxis der Hingabe verbunden. Sie bedeutet, sich selbst, seine Anhaftungen und seinen Willen der universellen Wahrheit des Lebens anzuvertrauen. In dieser Hingabe liegt eine tiefere Form der Freiheit. Eine Freiheit, die nicht durch das Erreichen von Zielen oder das Erfüllen von Wünschen definiert ist, sondern durch die Akzeptanz dessen, was ist.

Die transzendente Freiheit des Loslassens

Die Praxis des Loslassens führt zu einer transzendenten Freiheit, die jenseits von weltlichen Konzepten von Freiheit und Kontrolle liegt. Es ist eine Freiheit, die aus der tiefen Einsicht in die Vergänglichkeit und die Interdependenz aller Dinge entsteht. Diese Freiheit ist nicht das Ergebnis eines Kampfes oder eines Sieges, sondern das natürliche Aufblühen eines Geistes, der gelernt hat, sich den ständigen Veränderungen des Lebens hinzugeben, ohne daran zu festzuhalten.

In dieser Freiheit entdecken wir, dass das Leben in seiner ganzen Tiefe und Fülle nur dann wirklich erfahren werden kann, wenn wir aufhören, es besitzen zu wollen. Es ist ein Paradox: Je mehr wir loslassen, desto mehr gewinnen wir. Und was wir gewinnen, ist nichts weniger als das Leben selbst. In seiner reinsten, ungefilterten Form.

Fazit: Loslassen als Pfad zu größerer inneren Freiheit

Das Loslassen, wie es im Buddhismus verstanden wird, ist keine schnelle Lösung, sondern eine tiefgehende Praxis, die uns hilft, den Herausforderungen des Lebens mit mehr Gelassenheit zu begegnen. Indem wir lernen, weniger an Dingen, Menschen oder Vorstellungen festzuhalten, schenken wir uns selbst mehr Freiheit und erleben das Leben in all seinen Höhen und Tiefen bewusster und gelassener. Es geht nicht darum, Schmerz oder Schwierigkeiten zu verdrängen, sondern sie anzunehmen und mit ihnen zu wachsen.

Dieser Artikel ist im Rahmen der Blogparade „Freiheit durch Loslassen. Erzähle deine Geschichte“ von Trennungscoach Claudia Kielmann entstanden. Im Zuge dieser Blogparade sind bereits einige bewegende persönliche Geschichten zum Thema Loslassen entstanden. Sie eröffnen viele unterschiedliche Perspektiven auf dieses vielschichtige Thema. Diese Geschichten zeigen, wie individuell der Weg des Loslassens sein kann und wie bereichernd es ist, sich darüber auszutauschen.

Was bedeutet Loslassen für dich persönlich? In welchen Bereichen deines Lebens fällt dir das Loslassen besonders leicht oder schwer?

Du bist sehr herzlich eingeladen, deine eigenen Erfahrungen, Gedanken oder Fragen in den Kommentaren zu teilen. Ich freue mich auf deine Geschichte!

2 Antworten zu „Loslassen verstehen: Buddhistische Weisheit für deinen Alltag“

  1. Avatar von Claudia

    Liebe Pia,
    was für ein toller Artikel zum Thema Loslassen. Besonders angesprochen hat mich die Praxis des Loslassens. Denn genau deine Themen haben auch mir geholfen, viel mehr und ständig Dinge, Menschen oder Gedanken loszulassen.
    Herzlichen Dank für diese besondere Sichtweise auf das Thema „Loslassen“.
    Alles Gute
    Claudia

    1. Avatar von Pia

      Liebe Claudia,

      herzlichen Dank für deinen wertschätzenden Kommentar und für die wunderbare Gelegenheit, an deiner Blogparade teilzunehmen! Dein Engagement als Trennungscoach und Ausrichterin dieser Blogparade ist wirklich beeindruckend, und es ist großartig zu sehen, wie du Menschen dabei hilfst, mit dem Thema Loslassen auf eine tiefgreifende und heilsame Weise umzugehen.

      Dass dich die Praxis des Loslassens im Artikel besonders angesprochen hat, freut mich sehr. Gerade in deiner Arbeit als Trennungscoach ist das Loslassen ja oft ein zentraler Prozess, der Menschen dabei unterstützt, nach einer Trennung wieder zu sich selbst zu finden und neue Wege zu beschreiten. Die buddhistische Perspektive auf das Loslassen kann hier eine zusätzliche Tiefe und vielleicht auch neue Ansatzpunkte bieten, die in der Praxis hilfreich sein können.

      Es ist ermutigend zu hören, dass die Themen, die ich angesprochen habe, auch dir geholfen haben, Dinge, Menschen und Gedanken bewusster loszulassen. Es zeigt, wie kraftvoll und universell dieser Prozess ist, insbesondere in schwierigen Lebensphasen, wie du sie in deiner täglichen Arbeit begleitest.

      Herzlichen Dank, dass du diesen Raum geschaffen hast, in dem wir alle unsere Erfahrungen und Perspektiven teilen können.

      Alles Liebe
      Pia

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