Freude im Alltag zurückgewinnen
Die Inhalte dieses Blogartikels:
Toggle„Und dann ruft mein Mann zum Abendessen und ich sitze die ganze Zeit mit einem Lächeln im Gesicht am Tisch. Dabei waren die letzten zwei Tage, gestern und heute, nur schrecklich – kaum auszuhalten schrecklich. Doch nach unserem Austausch heute denke ich: Vielleicht finde ich doch zurück zur Freude. Vielleicht finde ich einen Weg zu meinem Mann.“
Diese Zeilen schrieb mir Charlotte (51 Jahre) nach unserer dritten gemeinsamen Sitzung. Charlotte ist zu mir gekommen, weil sie an ihrer letzten Schule durch Kolleginnen und Schulleitung gemobbt wurde. An ihrer neuen Schule ist sie sehr unsicher und gehemmt. Sie leidet unter starken Schlafstörungen, die dazu führen, dass sie Fehler macht. Und jeder Fehler verstärkt ihre Angst, dass sich die zermürbenden Mobbingerfahrungen wiederholen könnten.
Charlotte beschreibt sich selbst als sehr dünnhäutig, nervös und leicht reizbar, was inzwischen auch ihre Ehe stark belastet. Ihr Mann hat sich zurückgezogen, spricht kaum noch mit ihr.
Das alles erzählt sie mir in der ersten Stunde. Sie spricht schnell und fahrig. Es ist, als würde ein Damm brechen. Obwohl sie nach eigener Aussage misstrauisch mir gegenüber ist – zurecht, denn sie kennt mich ja noch nicht – sprudelt ihre Geschichte unsortiert aus ihr heraus. Dabei hält sie kaum Blickkontakt. Ich spüre, dass sie sich unwohl fühlt und frage, wie es ihr geht. Sie schaut weg und sagt:
„Ich habe Angst, Sie zu überfordern und weggeschickt zu werden.“
Ich bitte sie, in ihren Körper hinein zu spüren, wo sie die Angst am deutlichsten spürt. Sie schluckt schwer und deutet auf ihre Kehle. Darauf folgt ein tiefer Seufzer, ein langes Ausatmen. Das Zeichen für den parasympathischen Shift. Charlottes Körper, der die vergangene dreiviertel Stunde unter starker Anspannung stand, konnte langsam etwas Herunterfahren.
Kurz vor Ende der Stunde frage ich sie, was sie sich wünscht. Die Antwort kommt schnell:
Ich sehne mich nach der unbeschwerten Zeit, als es die ganzen Probleme noch nicht gab. Als ich mich noch lebendig gefühlt habe.
In den folgenden Stunden zeigt sich immer deutlicher, wie stark belastet Charlotte ist. Durch äußere Faktoren einerseits und durch unbewusste konditionierte emotionale Gewohnheitsmuster andererseits.
Um Charlotte nicht weiter zu destabilisieren und ihrer Sehnsucht nach mehr Unbeschwertheit, mehr Freude und Lebendigkeit einen Raum zu geben, experimentieren wir mit unterschiedlichen Übungen mit diesen Konzepten.
Was genau bedeuten Unbeschwertheit, Freude, Lebendigkeit für Charlotte? In welchen Zusammenhängen hat sie diese Gefühle schon erlebt? In welcher Form und an welchen Stellen zeigen sich diese Gefühle in ihrem Körper? Wie groß darf beispielsweise das Gefühl Freude werden, ohne dass es in Angst oder Scham umschlägt?
Charlotte erstellt unter anderem eine Landkarte der Freude, in der sie kreativ ebenso ihre Erinnerungen an Tätigkeiten, die ihr schon mal Freude bereitet haben aufträgt wie auch Emotionen, die für sie mit Freude verbunden sind. Sie lernt, diese Tätigkeiten nicht nur bewusst in ihren Alltag zu integrieren, sondern auch die Resonanz in ihrem Körper bewusst wahrzunehmen, die während dieser Tätigkeiten in ihr auftaucht.
Im Laufe der nächsten Wochen verändert sich Charlottes Gesichtsausdruck. Ihre Mimik ist lebhafter, ihr Blick offener. Nicht mehr so scheu und unstet wie zu Beginn unserer Zusammenarbeit. Als ich ihr meine Wahrnehmung zurückmelde, sagt sie:
„Ich empfinde so viel Ruhe, so viel Kraft, soviel Zuversicht wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Die Angst hat so viel negative Gedanken und Gefühle wie Neid, Missgunst und Sorgen hervorgebracht. Und plötzlich fühlt sich alles so leicht an. Ich gehe sogar wieder gerne ins Lehrerzimmer, was ich so oft wie möglich vermieden habe.
Und zuhause? Auch da geht alles viel leichter. Neulich sind wir zusammen in ein Konzert gegangen. Die erste unbeschwerte Zeit seit langem, ganz ohne zu streiten.“
Charlotte hat geübt, die Freude wieder langsam in ihrem Alltag zuzulassen. Der Schlüssel dazu ist Achtsamkeit. Indem sie lernt achtsam im gegenwärtigen Moment zu verweilen, öffnete sie sich für die kleinen, freudvollen Erlebnisse, die ihr Leben bereichern. Die Wärme der Sonne auf der Haut, ein freundliches Lächeln, der Geschmack des Lieblingsgerichts. All dies sind Quellen der Freude, die Charlotte oft übersehen hat, wenn sie in ihren Gedanken versunken war.
Durch verschiedene Achtsamkeitspraktiken übt Charlotte, sich von den ständigen Gedankenströmen über vergangene Ereignisse und mögliche Schreckensszenarien in der Zukunft zu lösen und stattdessen den gegenwärtigen Moment so anzunehmen, wie er ist. So erlebt sie immer häufiger einen Zustand inneren Friedens, in dem Freude natürlich entstehen kann. Es ist, als würde sie die Welt durch eine neue Brille sehen. Eine, die sie die leuchtenden Farben und die reiche Textur des Lebens bewusster erleben lässt. So konnte genug Zuversicht in ihre eigene Wirksamkeit und Stärke in ihr wachsen, um in einem geschützten Rahmen ihre schmerzlichen Erfahrungen zu erkunden. Anstatt vor unangenehmen Gefühlen zu fliehen oder sie zu verdrängen aus Angst, von ihnen überschwemmt zu werden, lernt Charlotte nun, sie mit einer Haltung der Offenheit und des Mitgefühls für sich selbst zu betrachten.
Das Beispiel von Charlotte zeigt, wie Achtsamkeit zu einem Schlüssel werden kann, der die Tür zu einem erfüllteren, freudigeren Leben öffnet. Indem wir lernen, im Hier und Jetzt zu sein, finden wir zurück zu der Freude, die immer schon ein Teil von uns war.
Haben Sie Interesse, mit mir an Ihren ganz persönlichen Themen zu arbeiten? Schreiben Sie mir und vereinbaren Sie ein kostenfreies Erstgespräch mit mir.
6 Antworten zu „Arbeitsbeispiel Coaching: Plötzlich fühlt sich alles so leicht an“
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Das klingt wunderbar rund und stimmig, wie du euren Weg beschreibst, liebe Pia! Ich hoffe, Charlotte kann mit neuer Leichtigkeit ihr Leben genießen!
Herzliche Grüße
Dina -
Liebe Pia, ein sehr anschauliches und bewegendes Beispiel dafür, wie du deine Arbeit angehst. Schön, dass deine Klientin es so gut annehmen und in ihrem Alltag umsetzen kann. Das ist für euch beide sicherlich sehr befriedigend. Ich wünsche dir weiterhin viele inspirierte KlientInnen.
Atembewegt & Herzlichst, Karin -
Liebe Pia das ist ein sehr ausführlicher und interessanter Bericht über deine Arbeit und die Wirksamkeit des Coachings. Herzlichen Glückwunsch
Ich wünsche dir viel Erfolg weiterhin.
Herzliche Grüße von Anita
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